Anfang der 90iger stand ich als Produktionshelferin in einer Fabrik die Dichtungsringe herstellte. Besonderheit war, dass es keine Fließbandarbeit war, sondern jeder Mitarbeiter hatte etwa 10 Pressen zu bedienen. Es wurde also keine Massenware hergestellt, sondern kleine Bestellungen für ganz besondere Anlagen, Schiffsmotoren usw.

Die Arbeitssituation gestaltete sich so, dass wir in 8 Stundenschichten den ganzen Tag bei durchschnittlichen 50°C Raumtemperatur von einer Presse zur nächsten eilten, einen Dichtungsring rausnahmen, eine Antihaftflüssigkeit reinschmierten, den nächsten Gummistreifen in die Form packten und diese dann mit gekonntem entlüften zu fuhren. Weitere technische Details lass ich jetzt mal aus, denn darum geht es ja nicht. Es war eine von den vielen Tätigkeiten, die man so ausführt wenn man ungelernt mit Hauptschulabschluss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht.

Es war eine Anstrengende Tätigkeit, ständig fast auf der Stelle gehend von Presse zu Presse und immer die gleichen Gesten durchführend. Rumtrödeln oder sich mal hinsetzen war bis auf die offiziellen Pausen nicht möglich. War die letzte Presse zu, ging die erste schon wieder auf. Die Pressen hatten je nach Art des Kunststoffs Temperaturen zwischen 150°C – 200°C, das heißt so manche Verbrennung an den Händen und Unterarmen war vorprogrammiert.

So wie ich mir das heute zusammenreime, hatte ich damals mit großer Wahrscheinlichkeit die ersten Symptome meiner PPMS. Abends jedenfalls, hatte ich ein unangenehmes Kribbeln in den Beinen. Ich dachte, das seien vielleicht Durchblutungsstörungen, begründet auf meinem doch niedrigen Blutdruck und hatte Angst ich könnte eine Thrombose erleiden. Also konsultierte ich einen Arzt, der alle möglichen Untersuchungen anstellte und am Ende zu dem Ergebnis kam, „Junge Frau“, sagte er, „Sie sind kerngesund, Sie können 100 Jahre alt werden“. Woher das kribbeln in den Beinen kam, das konnte er sich nicht erklären. Ich solle mir keine Sorgen machen, das würde wieder vorbei gehen.

Das tat es dann auch. Als ich 92 den Job wechselte. Als Vorarbeiterin in einer Gebäudereinigung, ein großes Objekt mit über 40 Reinigungskräften unter mir. Die Tage hatten immer noch 8 Stunden. Aber, im Gegensatz zur Fabrik, hatte ich hier Zeit mich auch mal hinzusetzen, ein eigenes Büro für den Schreibkram, Käffchen mit den Kolleginnen zwischendurch. Insgesamt war ich dann, mit ausreichend Sitzpausen dazwischen, 4-6 Stunden unterwegs. Reinigungstätigkeiten kontrollieren, aushelfen wenn erforderlich, Putzzeug verteilen, Reklamationen nachgehen, Besprechungen mit dem Kunden usw.

Ich vergaß dann auch bald dieses Kribbeln. Es war einfach weg.

Warum ich nun vermute, dass es Vorboten für die PPMS waren ist einfach erklärt. Die Strecken, die man gehen kann, werden einfach immer kürzer. Wie sich das anfühlt, werde ich später erläutern. Nur im Unterschied zu heute, fingen die Beine damals meist nach 7 – 8 Stunden an zu kribbeln, und heute sind fast taub. Gehen kann ich nur mit Mühe vielleicht 5 Schritte und mit Hilfsmittel. Vor ein paar Jahren waren es noch 2 – 3 Stunden die ich gehen konnte. Irgendwann kamen die Gehhilfen, dann der Rollator und nun der Rollstuhl.

Wenn das hier echt mal jemand liest, und selbst betroffen ist, es würde mich interessieren ob jemand sich vor der eigentlichen Diagnose an etwas ähnliches erinnern kann

Der lange Weg bis zur Diagnose…. (Teil 1)

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